FAQs zur EU Taxonomie

Was ist die EU Taxonomie?

Die Taxonomie-VO vom 18. Juni 2020 (VO (EU) 2020/852) versteht sich als Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten in der EU. Sie stellt das Grundgerüst der Initiativen zu Sustainable Finance dar und soll damit helfen, Kapitalflüsse in Richtung Nachhaltigkeit umzulenken. Dafür werden sechs Umweltziele von der VO festgelegt, von denen ein Unternehmen mindestens einem dieser Ziele folgen muss, um eine nachhaltige Wirtschaftsaktivität zu entfalten (“significant contribution”). Zugleich darf diese Wirtschaftstätigkeit aber auch keinem der anderen Umweltziele entgegenlaufen (“do no significant harm”).

Unternehmen, die gegenwärtig zur Erstellung einer nichtfinanziellen Berichterstattung gemäß Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) verpflichtet sind, haben in diese Berichterstattung qualitative und quantitative Angaben aufzunehmen, die den Übereinstimmungsgrad ihrer Wirtschaftsaktivitäten mit den Klassifikationssystem gemäß Taxonomie-VO abbilden. Ab dem Geschäftsjahr 2024 wird eine zunehmend größere Zahl an Unternehmen verpflichtet, diese Annahmen dann im Rahmen der dann gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU geforderten Nachhaltigkeitsberichte zu tätigen. Dies wird die Anzahl der von der Taxonomie-VO betroffenen Unternehmen um ein Vielfaches erweitern.

Welche Rolle spielt "Klimawandelanpassung" in der EU Taxonomie?

Eines dieser sechs Umweltziele der EU Taxonomie ist die Anpassung an den Klimawandel. In einem gesonderten delegierten Rechtsakt werden ausführliche Bewertungskriterien (“technical screening criteria”) ausgeführt, um zu beurteilen, ob eine Wirtschaftsaktivität einen Beitrag zu diesem Umweltziel leistet. Darüber hinaus enthalten auch die Bewertungskriterien zum zweiten bereits vorliegenden Umweltziel der Taxonomie-VO, die Bekämpfung des Klimawandels, durchgehend Vorgaben zu einem Do-no-significant-harm-Test im Hinblick auf das Umweltziel der Klimawandelanpassung. Anders gesagt bedeutet dies, dass sich eine jede Wirtschaftstätigkeit, die als nachhaltig i. S. d. Taxonomie-VO klassifiziert werden soll, gegenwärtig in einem Mindestmaß mit Fragen der Klimawandelanpassung befassen muss.

Wofür wird eine Klimarisikoanalyse benötigt, und gibt es dazu Empfehlungen?

Die technischen Bewertungskriterien zu den beiden vorliegenden Umweltzielen fordern durchgängig die Durchführung von “Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalysen”, um die geforderten Nachweise zu erbringen: Sowohl die Significant-contribution-Tests für die Anpassung an den Klimawandel als auch die Do-no-significant-harm-Tests für die Bekämpfung des Klimawandels. Der Anhang zum delegierten Rechtsakt für diese beiden Umweltziele enthält konkrete Mindestanforderungen, denen diese Analysen genügen müssen (u. a. zum Umfang der berücksichtigten Szenarien oder Einzelrisiken). Weitere Ausführungen zu den Anforderungen enthält ein FAQ-Dokument der EU-Kommission, welches am 19. Dezember 2022 veröffentlicht wurde (allerdings rechtlich keinen bindenden Charakter hat).

Hingewiesen sei darauf, dass zuletzt auch weitere regulatorische Vorgaben verabschiedet wurden, die Unternehmen de facto zur Durchführung von Klimarisikoanalysen verpflichten. Die Vorschläge zum ESRS E1 (“Climate Change”, https://www.efrag.org/lab6), der als neuer Berichtsstandard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgesehen ist, führt auf einer anderen Betrachtungsebene in dieselbe Richtung. Die szenariobasierte Befassung mit Klimarisiken wird damit für viele Unternehmen in der EU zu einer Notwendigkeit im Rahmen ihrer Unternehmensberichterstattung.

Was ist eine Klimarisikoanalyse? Und was versteht man generell unter Risiko?

Grundsätzlich sei auf eine einheitliche Verwendung des Begriffes Klimarisiko verwiesen. Der IPCC definiert diesen Begriff z. B. im aktuellen sechsten Sachstandsbericht (AR6) der Arbeitsgruppe 2 im Glossar. In aller Kürze: Risiko ist definiert als potentielle Konsequenzen, welche durch das Zusammenspiel von Gefährdung (Hazard), Verwundbarkeit (Vulnerability) und die raum-zeitliche Exposition (Exposure) definiert ist. Risiko ist daher nicht als Ungewissheit oder Wahrscheinlichkeit der Veränderung eines klimatologischen Parameters zu verstehen (wie dies im Risikomanagement von Unternehmen oft üblich ist), sondern als Kombination der oben genannten Aspekte. Umgangssprachlich werden die Begriffe Risiko und Gefährdung jedoch häufig vermischt.

Vulnerabilität (Vulnerability) ist eine Teilkomponente des Risikos und bezeichnet die Prädisposition nachteilig betroffen zu sein. Es umfasst eine Vielzahl von Konzepten und Elementen, darunter die Sensitivität oder Anfälligkeit für Schäden und mangelnde Fähigkeit zur Bewältigung bzw. Anpassung in Bezug auf die untersuchte Gefährdung. Häufig kann die Vulnerabilität in unterschiedliche Dimensionen gegliedert werden, wie physische, soziale, ökonomische, institutionelle, etc… Sehr vereinfacht dargestellt umfasst die Gefährdung naturräumliche und klimatologische Faktoren, die Verwundbarkeit adressiert gesellschaftliche Faktoren, bzw. die Eigenschaften von Infrastruktur.

Wie wird üblicherweise eine Klimarisikoanalyse durchgeführt? Gibt es Empfehlungen für die EU Taxonomie?

Für die Erstellung einer Klimarisikobewertung gibt es unterschiedliche Methoden. Entscheidend für die Wahl der Methode und der damit verbundenen Daten (sowohl Klimadaten/-projektionen als auch weitere notwendige Daten für die Bewertung von Gefährdungen/Vulnerabilitäten/Expositionen) ist die konkrete Definition des zu untersuchenden Risikos wichtig, vor allem hinsichtlich seiner Dimension (physisches, soziales, ökonomisches, institutionelles etc. Risiko) und seiner raum-zeitlichen Charakteristik (z. B Einzelobjekt, für Bundesländer/Österreich mit räumlicher Auflösung von xy). Daraus abgeleitet ergeben sich die Anforderungen an Methoden, Modelle (z. B. weitere Impact-Modelle für Gefährdungen und/oder die Verwendung von Proxies, wie Klimaindizes soweit vertretbar) und Daten (inkl. Klimamodelle, Landnutzungsdaten, sozio-ökonomische Daten etc.). Methoden können grundsätzlich quantitative, qualitative bzw. eine Kombination beider umfassen und richten sich nach Zielsetzung der Risikobewertung und auch oft pragmatisch nach der Verfügbarkeit von notwendigen Daten. Ein standardisierter Prozess für eine Klimarisiko- und -vulnerabilitätsanalyse wurde z. B. in der ISO14091 definiert.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Datenlage in Österreich für eine Klimarisikoanalyse grundsätzlich sehr gut ist; dies umfasst die Bandbreite von Klimadaten (siehe unten) bis hin zu sozio-ökonomischen Daten (siehe hier als Beispiel eine Studie im Kontext Hochwasser). Entsprechende Methoden sind verfügbar, richten sich aber nach Kontext und Anforderungen. 

Das Umweltbundesamt in Deutschland hat eine Empfehlung für Unternehmen erstellt, zur Durchführung einer robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse nach EU Taxonomie. Dies ist derzeit die einzige konkrete Empfehlung, wie eine Analyse umgesetzt werden kann. Diese Empfehlung ist stark an die ISO14091 angelehnt. 

Grundsätzlich ist die EU Taxonomie in Bezug auf die Methode jedoch aus unserer Sicht zu vage formuliert, um eine standardisierte wissenschaftlich fundierte Risikobewertung sicherzustellen. Eine Gewährung über die transparente Darstellung von Daten und verwendete Methoden im Bericht erscheint uns daher sehr essentiell. Dies sollte eine Beschreibung der angewandten Methode unter expliziter Referenz auf anerkannte Verfahren und wissenschaftliche Erkenntnisse, auf denen diese Methode beruht, eine Darlegung der wichtigsten verwendeten Daten und Indikatoren, die für diese Methode zur Anwendung gelangten, sowie eine Darlegung der Unsicherheiten umfassen.

Welche Unsicherheiten haben die vorliegenden Daten? Wie kann damit am besten umgegangen werden?

Grundsätzlich, aber auch im speziellen Kontext der EU Taxonomie, möchten wir auf eine kompetente Verwendung von Klimaszenario-Daten hinweisen. Dies erfordert eine Expert:innen-Einschätzung der Robustheit, Aussagekraft und der Unsicherheiten, idealerweise durch ein transparentes Robustheitsmaß. Auf Unsicherheiten und Modellbandbreiten (model spread) - z. B. in Bezug auf Projektionen im Kontext ‘Niederschlag’ - wurde ausführlich im ÖKS15-Projektbericht eingegangen.

Zusätzlich erfordert die räumliche Auflösung für die jeweilige Fragestellung eine kompetente Einordnung (siehe dazu auch Punkt b) im Kontext einer Risikoanalyse). So sind sehr spezifische Aussagen auf Einzelobjekte (wie z. B. Gebäude) richtig einzuordnen und sind von der Fragestellung entsprechend abhängig. Dies betrifft auch die Auflösung auf Tagesbasis. Diese dient vorwiegend der Bereitstellung der Daten für weitere Modelle, wie z. B. ‘Impact-Modelle’ (z. B. hydrologische Modelle etc.).

Welche Klimaszenarien liegen für Österreich vor? Sind diese in ausreichender Auflösung vorhanden? Welche Szenarien werden benötigt?

Aktueller Stand-der-Technik/Stand-des-Wissens in Österreich bilden die Österreichischen Klimaszenarien 2015 - ÖKS15 - Daten und die darauf aufbauenden weiteren Entwicklungen und abgeleiteten Daten/Analysen (z. B. CLIMA-MAP, STARC-Impact, FUSE-AT für Schnee).

In der Richtlinie werden als Ausgangsbasis alle RCP-Szenarien aufgeführt. RCPs stehen für repräsentative Konzentrationspfade (engl. representative concentration pathway) und definieren unterschiedliche mögliche Pfade der zukünftigen Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre für die nächsten Jahrzehnte bis hin zum Ende des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus. RCPs bestimmen deshalb wesentlich das Ausmaß der zukünftigen Erwärmung (Weitere Informationen sind hier verfügbar).

Für Österreich liegen derzeit hochaufgelöste Klimaprojektionen für RCP2.5, RCP4.5 und RCP8.5 für den Zeitraum 2018 bis 2100 auf Tagesbasis mit einer räumlichen Auflösung von 1x1km² vor. Bezüglich der derzeit verfügbaren RCPs ist dies eine ausreichende Bandbreite, um mögliche zukünftige Klimaentwicklungen auf Basis des Standes-des-Wissens abschätzen zu können. Das RCP6.0 konnte aufgrund der fehlenden Modell-Verfügbarkeit von regionalen Klimamodellen für Europa (EURO-CORDEX Simulationen) bisher nicht berücksichtigt werden. Für globale Modelle (mit geringer räumlicher Auflösung) liegen die entsprechenden RCPs vor, sind jedoch in ihrer Aussagekraft für Österreich und generell für kleinskalige Bewertungen nicht ausreichend geeignet und entsprechen daher auch nicht dem Stand-der-Technik für Österreich, da regionalisierte Daten wie ÖKS15 vorliegen.

Es liegen die Kernparameter Temperatur, Niederschlagsmenge und Globalstrahlung auf Tagesbasis vor. Daraus abgeleitet wurden Klimaindizes berechnet (z. B. Hitzetage, maximale fünftägige Niederschlagsmenge, etc.), welche als Proxies bzw. Annäherungen für die Abschätzung von Klimagefahren dienen können. Für ÖKS15 ist eine Gesamtübersicht der erstellten Indizes im Projektbericht verfügbar. Grundsätzlich stehen die Daten über den CCCA Datenserver zur Verfügung.

Für ÖKS15 wurden die Daten für die ‘Nahe Zukunft’ (2021-2050) und ‘Ferne Zukunft’ (2071-2100) zeitlich aggregiert. Eine Aggregation in beliebige Zeitscheiben ist aufgrund der erwähnten Tagesbasis technisch beliebig möglich und jederzeit durchführbar. Üblich sind Klimanormalperioden von 30 Jahren, um Trends ableiten zu können. Eine Aggregation auf 10-Jahres-Zeitscheiben - wie in den technischen Bewertungskriterien zur Verordnung (EU) 2020/852 (Taxonomie-Verordnung) vorgesehen - ist daher möglich.

Wird es in Zukunft aktualisierte Szenario-Daten für Österreich geben?

Aktuell wird an der Konzeption einer ‘Neuauflage’ der Klimaszenarien - basierend auf der neuen Klimaszenarien-Konzeption (siehe IPCC AR6 Arbeitsgruppe 1Regional Climate Information Distillation) - gearbeitet. Diese werden frühestens 2026 vorliegen und werden auf den neueren, globalen Klimamodellen CMIP6 basieren. Die Vorlaufzeit ergibt sich aus den dafür notwendigen Regionalisierungen (regionale Klimasimulationen), welche von der Forschungs-Community für Europa derzeit erarbeitet werden und weiteren Aufbereitungsschritten (systematische Fehlerkorrektur, Robustheitsabschätzung, Informationsgenerierung, etc.). Bis zur Veröffentlichung der neuen österreichischen Klimaszenarien stellen die ÖKS15 Daten und die darauf aufbauenden Folgeprodukte aktuell - auch im europäischen Vergleich - den besten Stand-der-Technik und Stand-des-Wissens für Österreich dar und können für weitere Fragestellungen entsprechend aufbereitet werden (‘Klimaindizes’).

Weitere Informationen werden in den nächsten Monaten und Jahren auf dieser Webseite veröffentlicht.

Können Abschätzungen für Gefährdungen getroffen werden?

Im Kontext der Klimaszenarien sei auch darauf hingewiesen, dass diese meist die Basis (=Input) für weitere Gefährdungs-Modelle darstellen (siehe oben, Impact Models). Je nach Kontext und Gefährdung bzw. auch Fragestellung können Klimaindizes - zumindest als Proxy - für eine Bewertung verwendet werden. Im Allgemeinen ist jedoch eine fundierte Klimarisikobewertung nur anhand von Klimaindizes nicht ausreichend.

In der Kürze ist hier keine ausreichende Beantwortung für die einzelnen Gefährdungen (wie in der EU Taxonomie gelistet) möglich.

Was sind sinnvolle Anforderungen an Anpassungsmaßnahmen?

Als schlussendliches Kern-Ergebnis der Klimarisikoanalysen fordert die Taxonomie-VO eine Identifikation, Bewertung und Umsetzung von physischen und nicht-physischen Lösungen (sog. "Anpassungslösungen"), “mit denen die wichtigsten physischen Klimarisiken, die für diese Tätigkeit wesentlich sind, erheblich reduziert werden.” Die Umsetzung dieser Anpassungslösungen muss in Form eines Maßnahmenplans dokumentiert und folglich koordiniert werden. Nur zu den inhaltlichen Anforderungen an die darin enthaltenen Maßnahmen finden sich im Text der VO Mindestanforderungen: So dürfen sie u. a. “bei Menschen und der Natur, dem Kulturerbe sowie bei Vermögens­werten und anderen Wirtschaftstätigkeiten zu keiner Beeinträchtigung der Anpassungsbemühungen oder des Maßes an Resilienz gegenüber physischen Klimarisiken” führen und haben auch Wechselwirkungen mit ihrem Umfeld  (z. B. politisch akkordierte Anpassungspläne) in die Betrachtung aufzunehmen. Die Anforderungen an Anpassungslösungen für das Erreichen des Umweltziels “Klimawandelanpassung” gehen dabei über die Anforderungen im Rahmen des Umweltziels “Bekämpfung des Klimawandels” hinaus. Weiter konkretisierende Leitlinien fehlen allerdings.

Im Sinne der methodischen Konsistenz ist es erforderlich, dass die relevanten Maßnahmen unmittelbar aus dem Ergebnis der Klimarisikoanalyse selbst abgeleitet werden. Für den dabei geforderten Prozess liegen methodische Empfehlungen bzw. Best-Practice-Standards vor, denen gefolgt werden sollte: bspw. dem Urban Adaption Support Tool des Covenant of Mayors for Climate & Energy Europe. Eine entsprechende Dokumentation des Prozesses ist bereits für die externe Prüfung der Berichterstattung gem. Taxonomie-VO unumgänglich (wie von der CSRD zukünftig gefordert); im Zweifelsfall sollte für den Prozess der Ableitung von Anpassungslösungen auf professionelle Expertise zurückgegriffen werden.