Presseaussendung 9.9.2020 – 1 Jahr nach dem Referenz-Klimaplan der Wissenschaft - Wo steht Österreich mit seiner Klimapolitik?

Corona hat die globale Erwärmung nur minimal beeinflusst, die klimapolitische Arbeit aber stark überlagert! Die erforderliche strukturelle Umstellung der österreichischen Wirtschaft ist im Herbst 2020 gebotener denn je.

 

Am 9. September 2019 stellte die wissenschaftliche Community den von ihr als Referenz ausgearbeiteten Nationalen Energie- und Klimaplan (Ref-NEKP) für Österreich vor, der darlegt wie unser Land seinen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele gewährleisten kann, wie der Übergang zu einer nahezu treibhausgasemissionsfreien und klimarobusten Wirtschaft und Gesellschaft gelingen kann. Auf welchem Weg befindet sich Österreich seit damals, was ist zur Bewältigung der Klimakrise geboten?

 

Der Referenz-Klimaplan aus 2019 und seine Aufnahme
Über siebzig ExpertInnen der Klima- und Transformationsforschung haben im Jahr 2019 einen Referenzplan als Grundlage für einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden Nationalen Energie- und Klimaplan für Österreich (Ref-NEKP) erarbeitet. Dieser wurde am 9. September 2019 öffentlich vorgestellt und in das Nationale Klimaschutzkomitee (NKK) eingebracht.

 

Das zentrale Ziel war, die bis Ende 2019 für den Erfolg des Klimaschutzes 2021 bis 2030 entscheidend notwendigen Verbesserungen im offiziellen NEKP für Österreich zu unterstützen. Während der Ref-NEKP der Wissenschaft als sachliche Grundlage breit zur Meinungsbildung in Österreich beigetragen hat und wohl auch teilweise in das Regierungsprogramm eingeflossen ist, wurde das unmittelbare kurzfristige Ziel nahezu vollständig verfehlt: Die Wirkung auf den durch die Regierung Bierlein final abgegebenen NEKP war marginal. Der Plan gestand sogar ein, die österreichischen Ziele der Emissionsreduktion mit den vorgesehenen Maßnahmen nicht zu erreichen.

 

Der fortschreitende Klimawandel ist teuer
Wir stehen aktuell bei wetter- und klimawandelbedingten Folgeschäden in Österreich in Höhe von durchschnittlich 2 Mrd. EUR pro Jahr. Dies bei einer globalen Durchschnittstemperatur, die rund 1 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt. Selbst wenn es gelingt, diesen Anstieg im globalen Mittel auf 2 Grad zu begrenzen, werden die Schäden in Österreich bis 2030 durchschnittlich auf zumindest 3 bis 6 Mrd EUR pro Jahr ansteigen, bis 2050 auf 6 bis 12 Mrd. EUR – im Durchschnitt jedes Jahr.

 

Corona und der Klimawandel
Für eine Stabilisierung des Klimas ist eine Netto-Null-Emissionsbilanz mit über 90% Reduktion der fossilen Emissionen erforderlich. Die durch den Corona-bedingten Lock-down verursachte Verringerung der wirtschaftlichen Aktivität hat zwar die Emissionen kurzzeitig verringert, aber keine strukturelle Änderung mit sich gebracht, die uns der notwendigen tiefgreifenden Emissionsreduktion näher brächte. Denn diese erfordert Änderungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in Produktions- und Alltagsverhalten.


Was die Erfahrung aus der Corona-Krise uns lehren kann:

 

- die (Emissions)Kurve flach zu halten ist auch im Klimawandel entscheidend – ein Zuwarten bedeutet dramatische Folgen nicht mehr verhindern zu können;

 

- signifikantes Umsteuern ist möglich, wenn es von allen gemeinsam mitgetragen wird, und die derzeitige Krise bietet dem Staat besondere Möglichkeiten;

 

- die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden, die mit weiter ansteigendem Klimawandel verbunden sind, manifestieren sich zwar langsamer als jene der COVID-19 Pandemie, sind aber mittelfristig massiver und permanenter.

 

Das Stimmungsbarometer der Uni Klagenfurt und der WU zeigt, dass eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung sich weiterhin Maßnahmen wünscht, welche die potenziell viel stärkere Klimakrise bekämpfen.
 

Wieder Hochfahren als Gesundungsprogram
Öffentliche Ausgaben und Investitionen wie sie nun in den Konjunktur- und Hilfspaketen vorgesehen sind, sind nur dann volkwirtschaftlich gerechtfertigt, wenn sie zugleich eine dauerhaft gesunde Wirtschaftsstruktur generieren. Bildlich gesprochen: Einem Krisenpatienten kann mit Drogen in erhöhter Dosis vielleicht kurzfristig Linderung verschafft werden, dauerhaft geholfen werden kann ihm aber nur mit einem Gesundungsprogramm. Das Gesundungsprogramm für die Wirtschaft besteht darin, eine klimarobuste, resiliente Kreislaufwirtschaft der kurzen Wege dauerhaft aufzubauen. Dies gelingt zum einen direkt durch zielgerichtete öffentliche Investitionen mit Blick auf die Erfordernisse der Situation in 2030 und 2040, zum anderen durch eine Reform des ordnungsrechtlichen Rahmens, der die Anreize für die Unternehmen und Haushalte ausrichtet.

 

Die Covid-19-Krise bietet eine besondere Möglichkeit staatliche Politik zugunsten nachhaltiger Strukturen zu machen, und dies zu geringeren finanziellen, sozialen und politischen Kosten, als das wohl je sonst möglich gewesen wäre. Fossile Energie-Preise auf dem derzeit niedrigen Niveau erleichtern den Abbau umweltschädlicher Subventionen, aber auch eine vorgezogene Einführung der geplanten CO2-Bepreisung.


Der Klimapfad der Europäischen Union
Das Europäische Parlament wird im September 2020 die neuen – gemäß dem European Green Deal an das Pariser Klimaübereinkommen angepassten – Klimaziele der EU für 2030 festlegen. Die Europäische Kommission schlägt eine Erhöhung der Emissionsreduktionsziele für 2030 (gegenüber 1990) von derzeit 40% auf 50% bis 55% vor, mehrere Fraktionen drängen auf aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigte 65%. Damit wäre eine 50% Chance gegeben, das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Die Länderziele sind demgemäß dann dementsprechend anzupassen.

 

Was nun in Österreich geboten ist
Will Österreich seinen adäquaten Beitrag zum Erreichen des Pariser Klimaziels leisten, und zugleich die Innovationschance, die sich gerade auch im Nach-Corona-Wiederaufbau stellt, klug nutzen dann sollte es insbesondere auf die folgenden Elemente setzen:

 

- Reform der klimapolitisch kontraproduktiven Förderungen. Wir subventionieren derzeit mit öffentlichen Geldern ein fossil geprägtes Verhalten, dessen Folgen wir danach mit weiterem öffentlichen Mitteleinsatz wieder reparieren müssen. Insbesondere in einem der größten Sorgenbereiche Österreichs, dem Verkehr, wenden wir pro Jahr zumindest rund 4 Mrd EUR an
öffentlichen Unterstützungen und Förderungen auf, die sowohl sozial als auch umweltpolitisch kontraproduktiv sind.

 

- Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung. Aus unserem Alltag wissen wir, dass unser Einkaufsverhalten wesentlich geprägt ist von den Preisen der Güter. Noch stärker trifft dies auf die betrieblichen Entscheidungen in der Wahl der Einsatzstoffe in der Produktion zu. Die Gegenargumente „Verlust der Wettbewerbsfähigkeit“ oder „soziale Ungerechtigkeit“ lassen sich durch adäquate Gestaltung (Grenzausgleichszölle, Einnahmenverwendung) nicht nur entkräften, sondern sogar für eine zudem verstärkt sozial- und umweltgerechte Entwicklung einsetzen.

 

- Einbeziehung aller in die Neugestaltung. Es liegen Konzepte für die sektorübergreifende Transformation wesentlicher Wirtschaftszweige vor, Land- und Forstwirtschaft spüren die Notwendigkeit für Transformation, der Energie- und Verkehrssektor sind bereits im Wandel, die Finanzwirtschaft zieht zunehmend mit, die Wissenschaft ist gut vorbereitet, die Bevölkerung ist willig, und fast alle Parteien sind offen für Veränderung. Österreich braucht einen nationalen Schulterschluss, wie damals im Kampf um ein kernenergiefreies Mitteleuropa.

 

Ein Jahr nach der Publikation des Ref-NEKP gibt es in Österreich erfreuliche Ansätze – jetzt müsste die Umsetzung rasch erfolgen um den österreichischen Beitrag zu den Pariser Zielen sicherzustellen.

 

Presseaussendung 9.9.2020 – 1 Jahr nach dem Referenz-Klimaplan der Wissenschaft - Wo steht Österreich mit seiner Klimapolitik?