Die Menschheit ist derzeit mit dem sechsten Massenartensterben in der Erdgeschichte konfrontiert, das sich von vorherigen dadurch unterscheidet, dass es durch die Menschen selbst, also anthropogen verursacht ist. In der Literatur und anderen Kunstformen finden wir zunehmend Vorstellungen und Geschichten, die auf die miteinander verknüpften Krisen des Artensterbens, des Biodiversitätsverlusts und des Klimawandels reagieren. Extinction ist ein komplexes und nicht nur naturwissenschaftliches, sondern auch ein kulturelles Phänomen und der Umgang damit reflektiert die vorherrschenden Vorstellungen von den Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und (Um)welt.
Am Beispiel verschiedener Medien wie Romanen, Theaterstücken, Tanzperformances, Filmen und Videospielen geht Julia Hoydis in ihrem Vortrag den Fragen nach, wie fiktionale Erzählungen mit Hoffnung, Verlust und Endzeitszenarien umgehen und wie Gegenmaßnahmen wie De-Extinction beispielsweise durch gentechnische Experimente und Artenschutz dargestellt werden. Das reflektiert sie stets vor dem Hintergrund des Umgangs mit Enden und Endlichkeit, der sich durch Hoffnung und Akzeptanz, aber auch in Form von Resilienz und auch Lösungsansetzen manifestiert. Auch vorherrschende Erzählmuster, die teils dystopisch oder elegisch ausfallen, werden in den Blick genommen.
Insbesondere wird sie auch zeigen, welchen Beitrag Literatur zu den gesellschaftspolitischen Debatten über Generationen- und Umweltgerechtigkeit leisten kann. Wie kann das Potenzial von Extinction Narratives genutzt werden? Dabei wird sie auch erörtern, dass die Funktion der Extinction Narratives als kulturelle Modellierungen von (un)möglichen Enden unserer jetzigen Welt immer mit Prädiktionen und Werten verknüpft sind.
Univ.-Prof. Dr. phil. Julia Hoydis (*1979 Berlin, lebt in Graz) ist seit 2024 Professorin für englische Literaturwissenschaft vom 18. bis zum 21. Jahrhundert am Institut für Anglistik der Universität Graz. Sie lehrte zuvor an den Universitäten Klagenfurt, Köln, Duisburg-Essen und Cambridge. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte und Entwicklung des englischen Romans, Erzähltheorie, Literatur und (Natur)Wissenschaft (v.a. Risikotheorie), Posthumanismus und neuere digitale Erzählformen (inklusive Literatur und KI), postkoloniale Studien, sowie Ecocriticism/Environmental Humanities. Aktuell forscht sie insbesondere zu Klimawandelnarrativen, u. a. in dem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Verbundprojekt Just Futures? An Interdisciplinary Approach to Cultural Climate Models (2023 – 2026), das sich mit Fragen von Generationengerechtigkeit und Vorstellungen von Klimazukünften in verschiedenen Medien beschäftigt.
Zu ihren Buchveröffentlichungen gehören Climate Change Literacy (mit Roman Bartosch und Jens Martin Gurr, Cambridge University Press, 2023), Risk and the English Novel (De Gruyter, 2019) und Tackling the Morality of History: Amitav Ghosh and the Ethics of Storytelling (Winter, 2011). Seit 2019 ist sie Herausgeberin der Zeitschrift Anglistik: International Journal of English Studies und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Anglistik (2022 – 2025). Neben der akademischen Karriere hält sie ein Diplom in klassischem und modernem Bühnentanz (Rambert School of Ballet and Contemporary Dance, London, 2000), und arbeitete bis 2016 auch freischaffend als Tänzerin in Köln und Aachen.