In den letzten Tagen kursierten zahlreiche, teils unzusammenhängende Informationen über das Extremwetterereignis am Wochenende und dessen Zusammenhang mit dem Klimawandel in verschiedenen (sozialen) Medien. Gemeinsam mit Expert:innen aus dem CCCA-Netzwerk, darunter Herbert Formayer von der BOKU University, Douglas Maraun von der Universität Graz und Marc Olefs von GeoSphere Austria, haben wir uns um eine gemeinsame klare und verständliche Einordnung bemüht.
Seit über 30 Jahren warnt die Klimaforschung öffentlich davor, dass der menschengemachte Klimawandel Wetterextreme wie Hitze, Dürre und Unwetter auch in Österreich verstärkt und häufiger auftreten lässt. Nach dem einfachen Prinzip „Klimawandel PLUS ungünstige Wetterlagen = schnellere Eskalation“ sorgt der Klimawandel dafür, dass Wetterextreme, wie die heftigen Starkregenfälle der letzten Tage, außerordentlich intensiv ausfallen. Dieses Prinzip wird auch in Zukunft gelten. Wir müssen uns auf häufigere und intensivere Unwetter, längere Hitzeperioden und stärkere Niederschläge einstellen – zu denen eben der Klimawandel entscheidend beiträgt. Die jüngsten Ereignisse machen die Dringlichkeit von Klimaschutz und Klimawandelanpassung (z.B. Hochwasserschutz, Renaturierung) umso deutlicher.
Starkregen vergangenes Wochenende
In den letzten Tagen erlebten vor allem Österreich, Polen und Tschechien heftige Starkregenereignisse, die durch eine besondere Wetterkonstellation (sich langsam verlagerndes Vb Tief in einer blockierenden Wetterlage im Zusammenhang mit einem abgetropften Höhentief) verursacht wurden. Während solche Wetterereignisse zwar selten, aber nicht ungewöhnlich sind, fallen die enormen Regenmengen auf. Wir wissen, dass durch den Klimawandel Starkniederschläge häufiger und insbesondere intensiver werden. Die ungewöhnlich warme Luft aus dem Mittelmeerraum, angereichert mit hoher Feuchtigkeit, traf auf sehr kalte arktische Luft, was zur Bildung intensiver Niederschläge führte. Der Mittelmeerraum ist derzeit außerordentlich warm, was der Luft aus diesem Gebiet erlaubt, mehr Wasserdampf aufzunehmen. Diese Feuchtigkeit entlud sich in Form von Starkregen und führte in höheren Lagen zu extremen Schneefällen. Die Wetterdienste haben die Situation im Vorfeld zudem präzise vorhergesagt.
In Österreich führte das Zusammentreffen dieser Faktoren zu gravierenden Folgen. Die Wetterlage verharrte über Tage in der Nähe des Ostalpenraumes, was Hochwasser und Murenabgänge verschlimmerte. Dieses längere Verharren als möglicher Ausdruck der Klimakrise ist zur Zeit Gegenstand der Forschung. Es besteht die Vermutung, dass neben den enormen Regenmengen auch die durch die Hitze des vergangenen Sommers ausgetrockneten Böden möglicherweise dazu beigetragen haben, die großen Wassermassen nur unzureichend aufzunehmen.
In den besonders betroffenen Gebieten im Bundesland Niederösterreich gab es in 5 Tagen zwischen 120 und 160 Prozent mehr Niederschlag als bei vergangenen vergleichbaren Extremereignissen seit dem Jahr 1961. In den kommenden Wochen und Monaten werden Attributionsstudien (=Zuordnungsstudien) in internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit von Expert:innen die Ursachen der extremen Regenmengen der letzten Tage genauer untersuchen.
Fortschreitender Klimawandel verstärkt Extremwetterereignisse
Eine zentrale Aussage des aktuellen Weltklimaberichts ist, dass der menschengemachte Klimawandel die Intensität von Extremwetterereignissen bereits jetzt verstärkt. Schreitet der Klimawandel wie bisher voran, werden diese Intensitäten weiter steigen. Der enorme Treibhausgasausstoß, der von uns Menschen seit der Industrialisierung in die Atmosphäre eingebracht wird, ist hauptverantwortlich für den rasanten Anstieg der Luft- und Meerestemperaturen. Zudem tragen Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu einer erhöhten Sonneneinstrahlung auf die Erd- und Meeresoberfläche bei, was die Erwärmung zusätzlich begünstigt. Nachdem der Klimawandel über Jahrzehnte aufgrund steigender Luftverschmutzung, durch die Industrialisierung, zumindest teilweise quasi verdeckt wurde, wird sein Ausmaß seit Mitte der 1980er Jahre immer deutlicher sichtbar.
Maßnahmen notwendig
Um in Zukunft besser mit Extremwetterereignissen umzugehen, sind gezielte Maßnahmen zur Anpassung an die veränderten Klimabedingungen unverzichtbar. Neben konkreten Maßnahmen wie dem Schutz unversiegelter Böden und Verbesserung bestehender Schutzmaßnahmen sind auch strukturelle Schritte sowie bewusstseinsbildende Maßnahmen wesentlich. Für eine rasche Umsetzung ist das nötige Budget erforderlich, aber auch Institutionen und Gesetze. Diese Anpassungsmaßnahmen sind ebenso notwendig wie eine Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen auf netto Null, um nicht Grenzen der Anpassung zu überschreiten. Auch Österreich muss seinen Beitrag leisten, um die globale Erhitzung zu stoppen und eine weitere Zunahme von katastrophalen Folgen zu verhindern. Je länger Maßnahmen ausbleiben, desto schwieriger wird es, die schlimmsten Auswirkungen abzuwenden, da Schutzmaßnahmen alleine nicht ausreichen oder an ihre Grenzen stoßen. Es geht darum, unsere Infrastruktur und unser Verhalten resilienter zu gestalten, und die Natur im Sinne von “nature based solution” als Teil der Lösung nutzen. Daher ist es wichtig, dass wir zusätzlich zu technologischen Lösungen auch unsere Lebensweise und unsere Beziehung zur Natur anpassen. Nur durch ein ausgewogenes Zusammenspiel von Technik und umweltbewusstem Verhalten können wir nachhaltig mit den Auswirkungen des Klimawandels umgehen.
Weitere Informationen zur konkreten Wetterlage: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/deutlich-mehr-regen-als-bei-frueheren-extremereignissen
CCCA-Pressemeldung 13.09.2024: Extreme Niederschläge erwartet – wachsende Gefahr durch Extremwetter: Klimawandel und Bodenversiegelung erhöhen Hochwasserrisiko
CCCA Fact Sheets zu Bodenverbrauch bzw. Hochwasser:
#39 Flächeninanspruchnahme in Österreich
#27 Die Einbindung von Bürgergruppen im Hochwasserrisikomanagement: Neue Rollen und Aufgaben in der Anpassung an den Klimawandel
#18 Anpassung von Privathaushalten an den Klimawandel: Eigenvorsorge gegen Hochwasserrisiken
#9 Auswirkungen des Klimawandels auf die durch Fließgewässer bedingte Hochwassergefährdung in Österreich